Der Arzt haftet bekanntlich für eine fehlerhafte, somit nicht lege artis durchgeführte Heilbehandlung und/oder für eine unterbliebene bzw. unzureichende Aufklärung des Patienten.
Er kann daher dem Patienten lediglich jene Umstände als Mitverschulden des Patienten entgegenhalten, welche dazu führen, dass der Schaden (der durch die falsche Behandlung oder unzureichende Aufklärung verursacht wurde) entweder noch vergrößert wird, oder eine Besserung des Gesundheitszustandes des Patienten (Verringerung des Schadens) unmöglich gemacht wird (OGH 25.02.2016, 9Ob 76/15i).
Im vorliegenden Fall, der oben zitierten, neuen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH), hat der Patient als Autolenker einen Verkehrsunfall verursacht und wurde noch an Ort und Stelle von einem Notarzt behandelt. Dem Notarzt ist bei der Behandlung ein Behandlungsfehler unterlaufen, welcher zum Tod des verletzten Autolenkers geführt hat.
Die gesetzliche Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hat folglich für die Hinterbliebenen des verstorbenen Autolenkers einige Leistungen (Ersatz der Bestattungskosten, Ansprüche an Unterhaltsentgang, etc.) erbracht und forderte diese nunmehr vom Notarzt im Regressweg zurück.
Der beklagte Notarzt argumentierte daraufhin, dass sich die Familie des verstorbenen Autolenkers dessen Mitverschulden anrechnen lassen müsste. Denn es war der Autolenker selbst, welcher den primären Schaden (den Autounfall) verursacht hat.
Nur der vom Autolenker verschuldete Verkehrsunfall machte die Behandlung durch den Notarzt erst notwendig.
Hätte sich der verstorbene Autolenker als solcher richtig verhalten, wäre es überhaupt zu keinem Autounfall und somit auch keiner Behandlung (und zu keinem Behandlungsfehler) gekommen.
Der Notarzt stützte sich bei seiner Argumentation auf eine durchaus bekannte, viel diskutierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2010 (4 Ob 36/10p).
Nach dieser hat der später verstorbene Patient (Sohn der Klägerin) einen Ofen im Haus selbst, unsachgemäß installiert, weshalb es in der Folge zu einer Rauchgasvergiftung gekommen ist.
Damals sprach der OGH erstmals aus, dass den Patienten sehr wohl Mitverschulden trifft, wenn er den behandlungsnotwendigen Zustand (im Fall aus dem Jahr 2010 somit die unsachgemäße Installation des Ofens und die damit eingehende Rauchgasvergiftung) verursacht hat.
Nunmehr ist der OGH der Auffassung, dass ein Eigenverschulden des Patienten an seiner Behandlungsbedürftigkeit seine Ansprüche gegenüber dem Arzt nicht mindere. Somit doch kein Mitverschulden des Patienten im konkreten Fall!
Der OGH folgt damit der überwiegend herrschenden Lehre und sagt zur Entscheidung aus dem Jahr 2010 aus, dass diese Rechtsansicht bislang vereinzelt geblieben sei und in der Literatur weitgehend abgelehnt werde. Auch der Oberste Gerichtshof lehnt sie daher nunmehr ab.