In seiner jüngsten Entscheidung zum Thema „Schock- und Trauerschäden“ (OGH 7 Ob 105/17t vom 29.11.2017) hat der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden, dass Geschwister in der Regel keine innige familiäre Beziehung zueinander haben, weshalb der erwachsene Bruder eines nach einer Behandlung im Krankenhaus verstorbenen Patienten keinen Anspruch auf Schmerzengeld für „Schock- und Trauerschaden“ habe.
Bei einer Behandlung im Krankenhaus wurde bei einem Risikopatienten unter anderem unterlassen im Zuge einer Thromboseprophylaxe eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen, weshalb der Patient verstarb.
Der Bruder des Vertorbenen klagte daraufhin den Spitalserhalter auf Schmerzengeld aus dem Titel der Schock- und Trauerschäden und begehrte auch die Feststellung durch das Gericht, dass der Spitalserhalter für alle künftig entstehenden Schäden resultierend aus dem Tod des verstorbenen Bruders hafte. Der Tod des Bruders sei auf die mangelhafte Behandlung im Krankenhaus zurückzuführen. Der Kläger argumentierte weiters, dass auch er aus dem Behandlungsvertrag geschützt sei, weil in Verletzung der Pflichten gegenüber dem verstorbenen Bruder als Patienten auch eine Verletzung der Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bruder des Verstorbenen und nunmehr Kläger gesehen werden müsse. Es bestehe daher eine vertragliche Anspruchsgrundlage.
Da bisher eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Anspruch von Geschwistern auf Schmerzengeld wegen Trauerschmerzen und/oder Schockschäden gegenüber dem Träger einer Krankenanstalt fehlte, traf der OGH eine Entscheidung. Er vertrat die Rechtsansicht, dass der Kreis der geschützten Personen, denen vertragliche Schadenersatzansprüche zustünden, auf die Kernfamilie beschränkt werden müsse.
Selbst wenn festgestellt wurde, dass im konkreten Fall zwischen den erwachsenen Brüdern (34 und 36 Jahre) eine sehr innige Gefühlsgemeinschaft bestand, die über die übliche Beziehung zwischen erwachsenen Angehörigen hinausging (die beiden telefonierten mehrmals täglich, sahen sich fast täglich, unternahmen sehr viel gemeinsam und der verstorbene Bruder hat nach der Scheidung der Eltern die „Vaterrolle“ in der Familie übernommen) sei zuerst laut OGH eine allgemeine objektive Betrachtung erforderlich. Nach einer solchen objektiven Betrachtung müsse davon ausgegangen werden, dass zwischen den Brüdern in erwachsenen Alter von 34 und 36 Jahren typischerweise aber keine innige soziale Beziehung zu erwarten sei.
Selbst wenn es, wie in diesem Fall, Ausnahmen geben sollte, sei dies ohne Belang, weil zuerst stets die allgemeine objektive Betrachtungsweise geboten sei.
Dabei argumentiert der OGH unter anderem, dass der Kreis jener Personen, die vom Behandlungsvertrag geschützt sind, enggezogen werden müsse, solle der Schuldner (hier der Spitalserhalter) seine Risiken doch überschauen können. Die Personengruppe der Geschwister hat daher laut OGH zum behandelnden Patienten regelmäßig keine derart innige familiäre Beziehung, dass sie zum geschützten Personenkreis gerechnet werden könnte und in der Folge Schadenersatzansprüche – hier vom Spitalserhalter- fordern könnten.
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