In der neuesten und für die Ärzte sehr wichtigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH, 30.03.2016, 4Ob 42/16d) haftet der Arzt für die unterlassene Überprüfung der auf der Arzneiflasche ersichtlichen Informationen über den Medikamenteninhalt.
Dabei genügt es nicht, wenn der Arzt vor der Vornahme der Patientenbehandlung und Anwendung des Arzneimittels die Medikamentenbezeichnung am Flaschenetikett überprüft. Er muss nicht nur den Namen des Präparats überprüfen, sondern auch die im Kleindruck abgebildeten Informationen über die Inhaltsstoffe des Medikamentes kontrollieren.
Konkret ging es in der Entscheidung um ein von einer Apotheke gemischtes Medikament. Der Arzt, ein HNO- Spezialist, bestellte in der Apotheke eine 2%- Pantocain- Lösung, welche er folglich als Lokalanästhesikum bei seiner Patientin anwenden wollte. Seit Jahren vertraute er dieser Apotheke und erhielt auch seit Jahren mangelfreie, genau mit seinem Rezept und Bestellung übereinstimmende Arzneimittel, darunter das gegenständliche Medikament. Nie hatte er vorher negative Erfahrungen mit der Apotheke gemacht.
Nun ist es aber doch passiert. Die bestellte Lösung wurde von den Apothekenmitarbeitern falsch gemischt: statt des Inhaltes mit 96% destilliertem Wasser wurde das Oberflächenanästhesikum mit 96% Alkohol hergestellt und in die Praxis des HNO- Arztes geliefert.
Diese Flasche enthielt in fettgedruckter Blockschrift die Bezeichnung „2 % PANTOCAIN LöSUNG“. Unterhalb der Überschrift stand in kleinerer Schriftart die genaue Zusammensetzung der Zutaten, aus welcher ein Hinweis auf die – für die Lösung keinesfalls vorgesehene- hohe Alkoholkonzentration ersichtlich war.
Der Arzt unterließ es vor der Behandlung, die Zutatenliste zu lesen, mit der Konsequenz, dass die Patientin an ihrer Nasenschleimhaut verärzt wurde.
Muss der Arzt nun wirklich vor dem Einsatz der Arznei die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe überprüfen? Führt dieses Nachkontrollieren nicht zur Überspannung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabes des Arztes? Hat sich der Arzt nicht darauf verlassen können, dass die Apotheke die Arznei – wie in all den Jahren zuvor – korrekt herstellen würde?
Die Antwort laut OGH lautet: „klares Nein!“
Der Arzt handelt vielmehr fahrlässig, wenn er das von der Apotheke auf der Flasche angebrachte Etikett nicht überprüft. Die Überprüfungsverpflichtung des Arztes führt auch zu keiner Überspannung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabes. Dabei zieht der OGH die Apothekenbetriebsverordnung heran, wonach ein Facharzt vor der erstmaligen Anwendung einer Arzneizubereitung kontrollieren muss, ob der Inhalt seiner Verschreibung tatsächlich entspricht.
In gegenständlichen Fall traf dies leider nicht zu. Der Teufel steckte wohl auch hier im Detail…