Liegt ein Arbeitsunfall vor, werden dem Dienstnehmer von der gesetzlichen Unfallversicherung die Kosten für die Behandlung und für weitere Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit, wie Rehabilitation, behindertengerechter Wohnungsumbau, etc. finanziert. Über diese Sachleistungen hinaus erhält der verletzte Dienstnehmer von der Unfallversicherung Geldleistungen in Form von Taggeldern, Versehrtengeld oder, bei schwerwiegenden Fällen, auch eine langfristige Leistung in Form einer Versehrtenrente bzw. – für die Hinterbliebenen- eine Hinterbliebenenrente, Witwen-/Witwerbeihilfen.
Achtung! Nicht selten wird beim Thema Schmerzengeld bei Arbeitsunfällen angenommen, dass die gesetzliche Unfallversicherung auch die Schmerzengeldforderung des Unfallopfers bezahlt. Diese Annahme ist falsch! (siehe unten).
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, jeden Arbeitsunfall unverzüglich zu melden. In meiner bisherigen Praxis ist es jedoch bereits einige Male vorgekommen, dass noch Monate nach dem Arbeitsunfall aus (angeblicher) Unwissenheit keine Meldung erstattet wurde und das Arbeitsunfallopfer ungenügend behandelt wurde bzw. ihm von Anfang an keine adäquate Hilfe zur Verfügung gestellt wurde. Aus diesem Grund sollte auch der Dienstnehmer nicht bloß die Hilfeleistung abwarten (nach dem Motto: „der Chef wird es schon machen“), sondern bei Untätigkeit des Dienstgebers selbst aktiv werden und den Antrag bei der gesetzlichen Unfallversicherung stellen.
Sollte der Verunfallte darüber hinaus über eine private Unfallversicherung verfügen, ist natürlich auch der Versicherungsvertrag inhaltlich in Bezug auf den Umfang und die Höhe der einzelnen Leistungen rasch zu überprüfen.
Und hier gleich die große Überraschung für den verletzten Dienstnehmer: kommt es zu einem Arbeitsunfall, so haftet der Dienstgeber gegenüber seinem Dienstnehmer lediglich dann, wenn er ihn vorsätzlich (wobei hier gar von „böser Absicht“ die Rede ist) verletzt hat!
Das bedeutet, dass weder eine grob fahrlässiges Verhalten des Dienstgebers noch etwa eine vorsätzliche Verletzung der Schutzvorschriften für die Haftung des Dienstgebers ausreichen, solange auch der Schadenseintritt selbst nicht vom Vorsatz umfasst ist.
Vorsätzliches im Sinne eines absichtlichen Handelns des Dienstgebers lässt sich schwer nachweisen und kommt bei Arbeitsunfällen praktisch kaum bis gar nicht vor.
Warum ist das so?
Nun, dieser Haftungsausschluss zu Gunsten des Dienstgebers ist in Österreich zwingend gesetzlich geregelt (§ 333 ASVG). Man spricht auch von einer sogenannten Haftungsbefreiung des Dienstgebers. Damit soll verhindert werden, dass der Dienstgeber für den eingetretenen Arbeitsunfall doppelt zahlen muss, denn der verletzte Dienstnehmer erhält in erster Linie die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und diese wird ja schließlich über die Dienstgeberbeiträge finanziert.
Die Haftungsbefreiung des Dienstgebers stößt bei vielen verletzten Dienstnehmern auf Unverständnis, schließlich kann auch das Schmerzengeld gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung nicht geltend gemacht werden. Dieses wird man vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen (Nachweis einer „bösen Absicht“) vom Dienstgeber somit kaum bekommen.
Die Haftungsbefreiung gilt nicht nur für den Dienstgeber, sondern in der Regel auch für dessen bevollmächtigte Vertreter (solche mit einer umfassenden Vertretungsbefugnis) und für den „Aufseher im Betrieb“ (Polier, Sicherheitsfachkraft, Vorarbeiter, etc)!
Achtung! Im Verhältnis zwischen gleichrangigen Dienstnehmern (Arbeitskollegen) gilt diese Haftungsbefreiung nicht!
Verletzt somit zum Beispiel ein Bauarbeiter seinen Arbeitskollegen (ebenfalls einen Bauarbeiter), so haftet er für seine Tat dem verletzten Kollegen nach dem allgemeinen Schadenersatzrecht. Es kann sogar zu einem Übergang der Schadenersatzansprüche des verletzten Dienstnehmers auf die Sozialversicherung kommen.
Das bedeutet, dass der verletzte Dienstnehmer von seinem Arbeitskollegen, von welchem er geschädigt wurde, sehr wohl nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechtes seine Schadenersatzansprüche, darunter auch das Schmerzengeld, fordern kann. Wie oben beschrieben, nicht jedoch vom Dienstgeber.
Eine weitere Ausnahme von der Haftungsbefreiung des Dienstgebers – abgesehen von der erwähnten absichtlichen Schädigung des Dienstnehmers durch den Dienstgeber – gibt es bei Arbeitsunfällen mit einem Verkehrsmittel: wenn somit bei einem Arbeitsunfall ein LKW, ein PKW oder die Eisenbahn einbezogen wurde (also ein Verkehrsmittel, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht besteht). Bei Verkehrsmitteln mit gesetzlich erhöhter Haftpflicht handelt es sich nur um Straßenfahrzeuge. Nicht umfasst sind somit Fahrzeuge, welche nicht für den Straßenverkehr bestimmt sind (wie Pistenfahrzeuge, ortsgebundenen Bagger, Gabelstapler, etc).
Die Straßenfahrzeuge sind haftpflichtversichert. Warum hier die Ausnahme zu Lasten des Dienstgebers? Weil die Dienstnehmer bei Verkehrsunfällen mit einem Fahrzeug des Dienstgebers nicht anders behandelt werden sollen, als sonstige Unfallopfer. Darüber hinaus sollen die privaten Haftpflichtversicherer (hier vor allem die KFZ- Haftpflichtversicherer) nicht zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung entlastet werden.
Somit haftet bei diesen Arbeitsunfällen sehr wohl der Dienstgeber, dies bis zu der aufgrund der Haftpflichtversicherung bestehenden Deckungssumme.
Auch wenn es nicht gelingt, dem Dienstgeber zivilrechtliche Haftung vorzuwerfen und nachzuweisen, hat er unter Umständen dennoch mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Dienstnehmer getötet, verletzt oder sonst die körperliche Sicherheit konkret gefährdet wurde. Strafrechtlich wird etwa geprüft, ob der Arbeitgeber etwa den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung, der fahrlässigen Tötung, etc. zu verantworten hat.
Die wenigsten verletzten Dienstnehmer (oder auch die Angehörigen des tödlich verletzten Dienstnehmers) wissen, dass sie sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen können und als solche nicht nur am Strafprozess aktiv teilnehmen, sondern auch bereits im Strafverfahren ihre Schadenersatzansprüche (darunter das Schmerzengeld) geltend machen können. Der verletzte Dienstnehmer (Opfer, dessen Hinterbliebenen) ist im Strafprozess keinesfalls nur auf die Rolle eines Zeugen reduziert, sondern kann somit auch als Anspruchsteller (Privatbeteiligter) auftreten.